Über die Reling
Einer meiner echten Angstgegner dieses Schiffes ist (neben dem Mast) die Reling. Leider ist sie dem Bausatz in Form von einem Bündel Messingdrähte beigelegt. Sehr lustig. Wie bereits an anderer Stelle besprochen, habe ich nicht gerade die Lizenz zum Löten. Und auch Biegen ist nicht so mein Thema. Also ganz schlechte Voraussetzungen, um etwas so kompliziertes auf die Reihe zu bekommen.
“Kompliziert?” ruft da der mit allen Wassern gewaschene Modellschiffbauer, “Pah! So ne Reling löte ich Dir mit einer Hand auf dem Rücken!”
Ja. Dann könnte man ja hingehen und das Ganze “outsourcen”. Sicher fände sich jemand, der für Geld und/oder gute Worte die Lötlampe schwingen würde. Andererseits: Eine Herausforderung ist eine Herausforderung ist eine Herausforderung, wie Gertrude das ausdrücken würde. Ok, das ganze Schiff ist in großen Teilen eine Herausforderung, zumindest für mich. Aber so gerne mein innerer Faulpelz (der gerade mal wieder eine recht dominante Phase hat) so ziemlich alles (vor)fabrizieren liesse, wäre das doch ein bißchen wie Schummeln.
Ich möchte da keinesfalls den Leuten zu nahe treten, die – weil sie erkannt haben, dass ihre Fähigkeiten, ihre Werkstatt und ihre Geduld einfach nicht ausreichen, ihr Guthaben aber schon – so ein Modell komplett von Profis erstellen lassen. Das ist ein anderer, aber deswegen kein falscher Weg. Man kauft ja auch ein Auto eher als dass man es selber baut, aus ähnlichen Gründen: Skoda kann einfach viel besser Kombis bauen als ich.
Zurück zur Reling. Biegen und löten habe ich ausprobiert. Geht so. Handläufe kriege ich hin. Aber bei den Schlaufen am Ende der Relingteile muss ich passen. Jeder Versuch endet in irgend einer eiereckigen Katastrophe, irgendwann meinte ich in der Stille meiner Kellerwerft den Relingplan lachen zu hören.
Also Plan B. Mal wieder.
SketchUp kann ich einigermaßen. Eigentlich müsste ich Fusion 360 oder sowas richtig gut können. Aber irgendwie komme ich da nicht so recht rein. SketchUp (die alte Offlineversion), das kriege ich ganz passabel hin. Nicht brillant, aber nach einigem Gefuddel habe ich fast immer ein halbwegs brauchbares 3D-Modell rausbekommen. Bei dieser Gelegenheit: SketchUp ist ein übles Stück, es nervt mit merkwürdigem Verhalten und die STLs sind oft voller nicht nachvollziehbarer Fehler. Aber ich habe einen kostenlosen STL-Reparierer (Ich distanziere mich ausdrücklich von dem Link!) im Netz gefunden, da kommen dann – meistens – Sachen raus, die von Cura ausnahmsweise nicht mit der Warnung “Fehler im STL” geöffnet werden.
Und es gibt für Sketchup ein paar ziemlich gute Tutorials. Letztens habe ich gelernt, wie man die “Pfadfolge”-Funktion richtig einsetzt, das kommt mir jetzt zugute. Denn schneller als vermutet ist ein Stück Reling konstruiert:
Dabei benutze ich die Methode, das Ganze in zehnfacher Größe zu konstruieren, denn SketchUp limitiert die Anzahl der Kreissegmente bei kleinen Radien. Baut man es aber groß und skaliert es dann herunter – kein Gemocker.
Der nächste Schritt: Das Ding auch noch drucken. Von der Feinheit eigentlich ein Fall für den Resindrucker. Aber dann wird die Reling vom Hinschauen schon zerbrechen. (Ja, es gibt inzwischen auch sehr gute Resins mit beinahe-ABS-Eigenschaften, aber die sind, sofern man da reale Eigenschaften und nicht nur chinesisches Marketing haben möchte, arg kostspielig)
Also mit dem FDM-Drucker. Die kleinste Nozzle rein, die geringste Schichthöhe, Augen zu und durch. Ein paar Stunden später dann der Lohn der Angst:
Das sieht so gut aus (und ist dank Druck in zähem PETG auch durchaus “anfassbar”), dass ich gleich mutig geworden bin und ein ganzes Stück Reling inklusive Ständerrohr für den Tochterboot-Schutz gebaut habe.
Die leicht “fusseligen” Stellen sind dem benutzten Material geschuldet, da ist noch etwas Optimierungsbedarf, aber schlimm ist es nicht, man kann die feinen Härchen einfach entfernen.
Richtig, das ist nicht so solide wie eine Messingreling. Aber ein paar Tests haben gezeigt, dass es erstaunlich stabil ist, sich eher verbiegt denn bricht, bis zu einem gewissen Grad federnd ist und sich auch (wenn man es dann doch mal kalt verformt hat) mit gebotener Vorsicht wieder zurückbiegen lässt. Ich würde mal sagen, das kann man so machen.
Vielleicht werde ich auch im Laufe der weiteren Bau-/Einsatzgeschichte des Kreuzers eines Besseren belehrt und baue doch noch eine Messingreling. Bis dahin wird das Ganze jetzt erstmal gedruckt.